„Von Flaesheim ans Rote Meer“

WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung

"Von Flaesheim ans Rote Meer"

15. Februar 2007
Von Martina Möller

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Die Biologin Constanze Conrad hat den Waldboden der Haard mit dem Taucherparadies Tondoba Bay getauscht, ein Ferienparadies und ein Meeresbiologie-College mit Unterwasser-Riff-Lehrpfad eingerichtet.

Haltern am See. Es hat wohl damit zu tun, dass sie schon als Kind über die Naturlehrpfade in der Flaesheimer Haard stromerte. In ihrer neuen ägyptischen Heimat Tondoba Bay am Roten Meer hat Constanze Conrad den weltweit ersten Unterwasser-Riff-Lehrpfad für Taucher eingerichtet.

Tauchtourismus und Umweltschutz, das gehört für die Sporttaucherin und Diplom-Biologin ganz einfach zusammen. Und was liegt da näher, als sich der Sache gleich selbst anzunehmen. Mit "Blue Heaven Holidays" und dem "Marine Biology College" hat sie es angepackt. An einem der schönsten Riffe des Roten Meeres gelegen ist die Tauchbasis mit Öko-Lodge inzwischen zum Pilotprojekt für umweltfreundlichen Tourismus in Ägypten mit staatlichem Gütesiegel avanciert.

Im angeschlossenen Meeresbiologie-College lernen Hobbytaucher Flora und Fauna des Meeres besser kennen, forschen Studenten der Uni Bochum und der amerikanischen Universität Kairo für Semester-, Diplom- und Doktorarbeiten.

Tauchen und Riffe beobachten. Bei Blue Heaven Holidays lernen Urlauber die Unterwasserwelt mit Muräne kennen.

Auf der "boot" in Düsseldorf, hat Constanze Conrad ihre touristischen Projekte gerade wieder vorgestellt, auch beim Reisepavillon in Hannover und auf der Tourismusmesse in Utrecht. Es ist einer der typischen arbeitsreichen Heimaturlaube, die die heute 39-Jährige absolviert, seitdem sie im Oktober 1998 auswanderte.

Den Umzug ans Rote Meer hat die Flaesheimerin wohl überlegt. Nachdem sie mehrere längere Aufenthalte hinter sich gebracht hatte, mit ihrem ägyptischen Ehemann Ayman Taher jede Menge Ideen für ökologischen Tourismus ausgebrütet hatte, stand der Entschluss schließlich fest. "Ich hab´ das Haus verkauft, das Auto verschenkt und die Koffer gepackt", erzählt sie.

Ihre erste Station hieß Marsa Alam, rund vier Stunden Fahrt Richtung Süden vom Flughafen Hurgahda entfernt. Von hier aus zog es die beiden 2003 nach Tondoba Bay, einer idyllischen touristisch bis dahin nicht erschlossenen Bucht 14 Kilometer südlich von Marsa Alam. Ein Taucherparadies.

Diese Unterwasserwelt für Touristen zugänglich zu machen, ohne sie zu zerstören, war für Constanze Conrad und ihren Ehemann oberstes Gebot. Schließlich war Ayman Taher ein Pionier des Unterwasser-Umweltschutzes und rief 1997 das "Reef-Check"-Programm zur Beobachtung der schützenswerten Korallenriffe ins Leben. Inzwischen bietet Constanze Conrad selbst alljährlich Reef-Check-Exkursionen an und vermittelt in meeresbiologischen Seminaren auch interessierten Sporttauchern Einblicke in das Leben im Meer. "Kampf im Riff", "Tiere ohne Rückgrat", "Fische des Roten Meeres" oder Partnerschaften im Riff" sind Beispiele aus ihrem umfangreichen Seminarprogramm.

Nicht nur für Taucher sondern auch für erholungssuchende Landratten ist die Öko-Lodge inzwischen mehr als ein Geheimtipp. Wahlweise bietet Constanze Conrad bis zu 25 Gästen als Domizil kleine Bungalows oder fünf rund 40 Quadratmeter große "Al Saraya Cotton Houses", individuell und luxuriös eingerichtete Zelte an. Gefertigt wurden diese Behausungen aus dickem Stoff in einer kleinen Näherei in Kairo. Übrigens derselben, in der auch Libyens exzentrischer Staatslenker Gaddafi die Zelte nähen lässt, die er als mobile Behausung so gern zu Auslandsbesuchen mitnimmt.

An das Leben in Ägypten hat sich die Deutsche längst gewöhnt. Sie schätzt die freundliche Art, mit der sich Menschen begegnen, und die unendliche Zufriedenheit; hat in größter Armut herzliche Gastfreundschaft erlebt. In Tauchbasis, Öko-Lodge und College beschäftigt sie inzwischen vor allem Beduinen. "Wir bilden sie vor allem als Fahrer und als Tauchbegleiter aus", erzählt die Geschäftsfrau.

Dass der Alltag in Ägypten oft nur im Schneckentempo kriecht, stört die emsige Deutsche längst nicht mehr. "Wo bei uns ein schlichtes ,Guten Morgen´ reicht, braucht es dort ein Ritual mit vielen Komplimenten, das schon mal eine Viertelstunde dauern kann", erzählt sie. Ein Satz wie ,Ich wünsche dir viele Kamele´ ist nichts anderes als die Aufforderung, viele gute Wünsche zu erwidern. Bis die Halternerin solche Konversationen führen kann, heißt es aber noch ein bisschen büffeln. "Im Moment komme ich mir wegen der fremden Schrift immer noch wie ein Analphabet vor."

 

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