Vermüllte Ozeane

Die Ozeane der Erde werden immer mehr zur Müllkippe des Menschen. Erst vor wenigen Monaten zeigte eine Studie, dass Plastikmüll inzwischen selbst in entlegenen Tiefseegebieten zu finden ist. Jetzt präsentiert eine internationale Forschergruppe eine erschreckende Bilanz des an der Meeresoberfläche schwimmenden Plastiks: Demnach treiben rund 5,25 Billionen Kunststoffpartikel verschiedenster Größen in den Weltmeeren umher. Die gesamte Masse dieses Mülls beträgt fast 270.000 Tonnen – und das ist nur der schwimmende Teil dieser Kunststoffflut.
Marcus Eriksen (Five Gyres Institute, Los Angeles) et al., PloS ONE; doi: 10.1371/journal.pone.0111913

Fischernetze, weggeworfene Plastiktüten, vor allem aber das nur wenige Millimeter kleine Mikroplastik – all diese Hinterlassenschaften unserer Industrie und Zivilisation finden sich längst auch in den Ozeanen der Erde. Schon länger schlagen Biologen und Meeresforscher deswegen Alarm. Denn die Plastikreste geben giftige Substanzen ans Wasser ab und Meerestiere und Vögel können zugrunde gehen, wenn sie diese Kunststoffpartikel aufnehmen. "Verschärft wird dies dadurch, dass das schwimmende Plastik lange erhalten bleibt, von kleinen Kunststoffpellets bis hin zu ganzen Netzen oder gar Schiffen treibt daher alles quer über die Ozeane", erklären Marcus Eriksen vom Five Gyres Institute in Los Angeles und seine Kollegen. Sie haben nun ermittelt, wie viel schwimmendes Plastik sich insgesamt in den Meeren befindet und auf welche Größen es sich verteilt.

Billionen Plastikteile - überall
Für ihre Studie werteten die Forscher die Daten von insgesamt mehr als 680 Netzfängen und 891 visuellen Rasterfahndungen nach Plastikmüll aus, die Wissenschaftler bei 24 Expeditionen in den Jahren 20067 bis 2013 durchgeführt hatten. Diese Forschungsfahrten deckten vor allem die fünf großen Strömungswirbel der Ozeane ab, die subtropischen Wirbel im Nord- und Südpazifik, im Nord- und Südatlantik und im Indischen Ozean. Außerdem nutzten sie Daten für  verschiedene Küstengebiete und das Mittelmeer. Die dabei jeweils erfassten Plastikteile teilten sie nach ihrer Größe ein in kleines Mikroplastik von bis zu einem Millimeter Größe, großes Mikroplastik von bis zu 4,75 Millimetern Größe, Mesoplastik bis zu 20 Zentimetern und das noch größere Makroplastik. Die Beobachtungsdaten speisten die Forscher zusätzlich in ein Modell ein, das die Verteilung der Plastikpartikel mit Meeresströmungen und Winden simuliert. Auf diese Weise ermittelten sie auch für nicht beprobte Meeresbereiche die wahrscheinliche Partikeldichte.

Das Ergebnis: Allein die Netzfänge ergaben bereits eine Plastikdichte von 1.000 bis 100.000 Partikeln pro Quadratkilometer, wie die Forscher berichten. Auf absolute Spitzenwerte kam dabei das Mittelmeer, in dem sogar bis zu 890.000 Kunststoffteile pro Quadratkilometer gefunden wurden. Die Größe der Plastikteile nahm dabei von den küstennahen Gebieten bis aufs offene Meer hin immer weiter ab. Insgesamt ermittelten die Forscher die gewaltige Menge von 5,25 Billionen Plastikteile mit einer Gesamtmasse von 269.000 Tonnen. "Plastikteile aller Größen wurden dabei in allen Meeresgebieten gefunden", berichten Eriksen und seine Kollegen. Erstaunlicherweise war dabei die Plastikdichte selbst auf der Südhalbkugel fast genauso hoch wie auf der weitaus dichter besiedelten Nordhalbkugel – obwohl es dort weniger Schiffsverkehr gibt. "Das könnte bedeuten, dass der Plastikmüll leichter zwischen den Hemisphären und den großen Strömungswirbeln ausgetauscht wird als bisher gedacht", mutmaßen die Forscher.

Verteilt im gesamten Ökosystem
Bei der Auswertung der Partikelgrößen erlebten die Forscher eine Überraschung: "Weil die meisten kleineren Plastikteile durch den Zerfall größerer entstehen, haben wir erwartet, dass Mikroplastik sehr viel häufiger vorkommt als größere Teile", erklären die Wissenschaftler. Doch das war nicht der Fall: In allen Meeresregionen fand sich etwa gleichviel Mikro- und Makroplastik. Von der Masse her machte das Makroplastik sogar drei Viertel der gesamten Kunststoffverschmutzung aus, besonders viele größere Teile fanden sich in den großen Müllstrudeln der ozeanischen Wirbel. Wie die Forscher erklären, deutet diese Diskrepanz zwischen erwarteten und ermittelten Werten auf einen enormen Verlust von Mikroplastik aus der schwimmenden Fraktion hin. Biodegradation, abnehmender Auftrieb, das Verschlucken durch Meerestiere und andere Abbauprozesse verteilen es stattdessen in tiefere Wasserschichten und bis zum Meeresgrund.

"Das Mikroplastik wird dadurch über das gesamte Meeresökosystem verteilt", sagt Eriksen. Da ein Großteil der Kunststoffpartikel auf lange Sicht verschluckt wird oder absinkt, ist der an der Meeresoberfläche schwimmende Abfall daher nur ein Teil des Problems. Hinzu kommt: "Unsere Ergebnisse sind extrem konservativ und sollten als Minimalwerte angesehen werden", betonen die Forscher. Für die Ozeane und ihre Bewohner ist das keine gute Nachricht.

 

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